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Beitrag vom 22.01.2009
San Glaser - New Road
Tatjana Zilg
Für die eigene Solokarriere wartete die Niederländerin, die erst Hamburg zur Wahlheimat kürte und später nach Berlin zog, auf den richtigen Moment. Ihre Stimme ließ sie als Sängerin der Jazzkantine …
… und als Mitglied der Band von Stefan Gwildis reifen, bis sie das raumgreifende Volumen und die samtige, angenehm chillige Klangfarbe erreichte, mit der sie 2005 ihr erstes Soloalbum füllte.
Zur selben Zeit hatte sie sich entschieden, die Hauptstadt-Metropole als Lebensort zu erobern. "Never In Vain" nannte sie ihr Debut, und oberflächliches Verhalten liegt ihr gewiss nicht. Kurz nach dem Start als Solo-Musikerin musste sie sich mit der Trennung von ihrem Mann auseinandersetzen, was die Arbeit an ihrem Nachfolge-Album wesentlich mitprägte. Doch kein wehmütiger Schmerz durchzieht die zwölf Songs, sondern ein Blick zurück in entspannter Gelassenheit und dezente Lust auf einen Neuanfang. Gemeinsam mit ihren ZuhörerInnen betritt sie eine "New Road" und belohnt die Aufmerksamkeit mit einem Dutzend charmanter Jazz-Kleinode, die mit Musical, Broadway, Swing und Pop liebäugeln. Ein Hauch Melancholie vollendet die Songs und verführt zu sehnsüchtigen Träumen nach neuen Begegnungen und zu einem Schwelgen in der Erinnerung der schönsten und intensivsten Momente der Vergangenheit.
Der Lebensweg von Alexandra, wie San mit vollem Namen heißt, war ungewöhnlich und verlangte von ihr als Kind ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und Anpassungsfähigkeit: Sie wurde als Tochter einer Niederländerin und eines indonesischen Musikers geboren. Den Vater lernte sie erst kennen, als sie 15 Jahre alt war. Aufgewachsen ist sie bei der Mutter und ihren drei Halbgeschwistern. Einen ausgesprochenen Ehrgeiz nahm sie aus dieser Zeit mit und seitdem verfolgt sie ihre Ziele mit Perfektion. Als Texterin und Komponistin feilt sie so lange an den Songs, bis diese ihre hohen Ansprüche zufrieden stellen. Für "New Road" entschied sie sich, die Songs im Studio mit der Band live einzuspielen und ihnen so einen authentisch lebendigen Charakter zu geben. Dabei klingt ihr Stil nicht nach Berlin oder Deutschland, spontan würde man dahinter eher eine New Yorker Band vermuten. Nicht ohne Grund, denn eine Künstler-Freundschaft verbindet sie mit einigen MusikerInnen aus dem amerikanischen Melting Pot. Da wäre die New Yorker Singer-/Songwriterin Kj Denhert, die sie im Frühjahr 2007 bei einem Konzert in Hamburg kennenlernte.
"Da war sofort eine Verbindung, musikalisch wie menschlich. Ein paar Wochen später bin ich zu ihr nach New York gereist, wo wir unsere ersten gemeinsamen Songs schrieben. Eine wunderbare Erfahrung," erzählt San. Zudem veredelte der New Yorker Saxofonist Aaron Heick, der schon mit Größen wie Frank Sinatra, Aretha Franklin, Donald Fagen, Chaka Khan oder Ben E. King spielte, ihren Song "All These Things". In dem flotten Bar-Jazz-Stück schwärmt sie vom Wechsel der Jahreszeiten in New York, die zugleich als Kulisse für eine romantische Liebesgeschichte dienen. "Let It Go" sprengt den sanften Fluss der anderen Songs und hypnotisiert mit einem bluesig munteren Rhythmus, überraschenden Pianoeinsätzen, einer tiefen Basslinie und einer einprägsamen Hookline. "Girls Like Me" tänzelt dagegen mit Pop-Anklängen und orchestral glitzerndem Broadway-Feeling in die Ohren.
Einen Herzenswunsch erfüllte sich San Glaser mit einem Cover des größten Charterfolgs von dem schillernden Chamäleon Boy George. Der Verkleidungskünstler und Sänger sorgte in den Achtzigern Jahren mit seinem Culture Club für etliche Kontroversen und belebte die Musikszene mit phantasievollen Glamour-Pop . Die elegante Jazz-Sängern verwandelte sein tragisch schönes Liebeslied "Do You Really Want To Hurt Me?" für das neue Jahrtausend in eine sensibel dahinfließende Ballade, die sich mit Piano-Moll-Tönen wunderbar um verwundete Seelen kuschelt.
Weiterhören: Milla Kay und Cassandra Wilson
San Glaser im Netz: www.sanglaser.com
AVIVA-Tipp: Eine entspannte Leichtigkeit entströmt dem Album und entsendet die sanfte Einladung, sich in einen schwerelosen Zustand mitziehen zu lassen, der es einfach macht, über die Höhen und Tiefen moderner Liebesbeziehungen zu philosophieren und alle Ängste vor der nächsten Trennung entschwinden zu lassen.
San Glaser
New Road
Label: EMI, Soulfood, Flash Records, erschienen Januar 2009